Barrierefreiheit jetzt! Gesetzliche Grundlagen für barrierefreie Websites


Was ist digitale Barrierefreiheit?
Digitale Barrierefreiheit bezeichnet die Gestaltung von Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere Websites, sodass sie von allen Menschen gleichberechtigt und uneingeschränkt genutzt werden können. Ziel ist es, allen Nutzern den Zugang zu digitalen Inhalten und Funktionen zu ermöglichen, ohne auf Barrieren zu stoßen, die ihre Teilhabe einschränken könnten.
Barrieren im digitalen Raum können vielfältig sein. Sie betreffen beispielsweise Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung, die auf Screenreader angewiesen sind, oder Personen mit motorischen Einschränkungen, die keine Maus verwenden können und daher auf eine tastaturfreundliche Navigation angewiesen sind. Auch Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen profitieren von klar strukturierten und verständlich formulierten Inhalten.
Die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit erfordert daher:
- Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen so präsentiert werden, dass sie von Nutzern wahrgenommen werden können, beispielsweise durch ausreichende Kontraste oder alternative Textbeschreibungen für Bilder.
- Bedienbarkeit: Alle Funktionen einer Website sollten sowohl mit der Maus als auch über die Tastatur zugänglich sein.
- Verständlichkeit: Die Informationen und die Bedienung der Website müssen klar und verständlich sein.
- Robustheit: Inhalte sollten so gestaltet sein, dass sie von verschiedenen Benutzeragenten, einschließlich assistiver Technologien, zuverlässig interpretiert werden können.
Was sind assistive Technologien?
Mit „assistiven Technologien“ in diesem Kontext sind Hilfsmittel und Software gemeint, die Menschen mit Beeinträchtigungen dabei unterstützen, digitale Inhalte zu nutzen. Dazu gehören unter anderem:
- Screenreader (z. B. JAWS, NVDA, VoiceOver): Lesen den Inhalt von Webseiten für blinde oder sehbehinderte Nutzer vor.
- Vergrößerungssoftware (z. B. ZoomText): Erhöht die Lesbarkeit für Menschen mit Sehbehinderungen.
- Braillezeilen: Wandeln digitale Texte in Brailleschrift um.
- Spracherkennungssoftware (z. B. Dragon NaturallySpeaking): Ermöglicht Menschen mit motorischen Einschränkungen, Computer per Sprache zu steuern.
Gesetzliche Grundlagen der BITV
Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) bildet in Deutschland die rechtliche Basis für die barrierefreie Gestaltung von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Sie wurde erstmals 2002 auf Grundlage des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) erlassen und seither mehrfach aktualisiert, zuletzt im Mai 2019.
Die BITV setzt die europäische Richtlinie (EU) 2016/2102 um, die Mindeststandards für die Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen festlegt. Ziel dieser Richtlinie ist es, die digitale Barrierefreiheit innerhalb der EU zu harmonisieren und sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Informationen und Dienstleistungen haben.
Wesentliche Punkte der BITV umfassen:
- Anwendungsbereich: Die Verordnung gilt für Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen des Bundes. Für Angebote der Länder gelten eigene Bestimmungen.
- Technische Anforderungen: Die BITV orientiert sich an den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0, die internationale Standards für barrierefreie Webinhalte definieren.
- Fristen: Öffentliche Stellen mussten bis zum 23. September 2020 ihre Websites barrierefrei gestalten. Für mobile Anwendungen galt eine Frist bis zum 23. Juni 2021.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ab 2025
Dieses Gesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft und erweitert die Barrierefreiheitsanforderungen auf viele private Unternehmen – nicht nur öffentliche Stellen. Dazu gehören etwa Online-Shops, Bankdienstleistungen und digitale Kommunikationsplattformen.
Wer ist verpflichtet, eine barrierefreie Website zu gestalten?
Die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Websites und mobilen Anwendungen ergibt sich aus der BITV und betrifft in erster Linie öffentliche Stellen des Bundes. Dazu zählen:
- Bundesbehörden: Ministerien, Bundesämter und andere Einrichtungen des Bundes.
- Gerichte und Justizbehörden: Alle gerichtlichen Institutionen auf Bundesebene.
- Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen: Beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit.
Darüber hinaus sind auch Einrichtungen, die überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Dies umfasst beispielsweise:
- Öffentliche Verkehrsbetriebe: Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs.
- Gesetzliche Krankenkassen: Alle gesetzlichen Krankenversicherungen.
- Hochschulen: Universitäten und Fachhochschulen in öffentlicher Trägerschaft.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ab 2025
Das Gesetz gilt für Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher anbieten, darunter:
- Online-Shops: Websites und Apps von Händlern müssen barrierefrei zugänglich sein.
- Bankdienstleistungen: Geldautomaten, Banking-Apps und Online-Banking müssen für Menschen mit Behinderungen nutzbar sein.
- Telekommunikation: Mobilfunkanbieter und Internetdienste müssen barrierefreie Angebote bereitstellen.
- E-Book-Anbieter: Digitale Bücher und deren Lesesoftware müssen für Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen zugänglich sein.
- Öffentlicher Verkehr: Ticketautomaten, Buchungsplattformen und Kundeninformationssysteme müssen barrierefrei sein.
Gibt es Ausnahmen?
Ja, Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten und entweder weniger als 10 Mitarbeiter oder unter 2 Mio. € Jahresumsatz liegen, sind ggfs. von einigen Anforderungen ausgenommen.
Wann ist eine Website barrierefrei?
Eine Website gilt als barrierefrei, wenn sie den Anforderungen der BITV entspricht und somit für alle Menschen gleichberechtigt und uneingeschränkt nutzbar ist. Die BITV orientiert sich dabei an den vier Prinzipien der WCAG 2.0:
- Wahrnehmbarkeit: Informationen und Komponenten der Benutzeroberfläche müssen den Nutzern so präsentiert werden, dass sie diese wahrnehmen können. Beispielsweise sollten Bilder mit Alternativtexten versehen sein, damit Screenreader sie vorlesen können.
- Bedienbarkeit: Komponenten der Benutzeroberfläche und Navigation müssen bedienbar sein. Das bedeutet unter anderem, dass alle Funktionen sowohl mit der Maus als auch über die Tastatur zugänglich sein sollten.
- Verständlichkeit: Informationen und die Bedienung der Benutzeroberfläche müssen verständlich sein. Dies beinhaltet klare und einfache Sprache sowie eine konsistente Navigation.
- Robustheit: Inhalte müssen robust genug sein, um von einer Vielzahl von Benutzeragenten, einschließlich assistiver Technologien, interpretiert werden zu können.
Welche Elemente der Website müssen barrierefrei gestaltet sein?
Die BITV legt fest, dass sämtliche Bestandteile einer Website barrierefrei gestaltet sein müssen, um eine uneingeschränkte Nutzung für alle Menschen zu gewährleisten. Ein zentraler Aspekt betrifft dabei die textlichen Inhalte, die in klarer und einfacher Sprache verfasst sein sollten. Eine sinnvolle Struktur mit Überschriften und Absätzen erleichtert zudem die Orientierung und das Verständnis.
Auch visuelle Elemente wie Bilder und Grafiken müssen barrierefrei sein. Dazu gehört die Bereitstellung von Alternativtexten, die den Inhalt der Bilder für Screenreader-Nutzer verständlich machen. Formulare sollten mit eindeutigen Beschriftungen und klaren Anweisungen versehen sein, um Nutzern mit kognitiven oder motorischen Einschränkungen die Eingabe zu erleichtern.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Navigation der Website. Sie sollte konsistent und intuitiv gestaltet sein, sodass alle Inhalte sowohl mit der Maus als auch über die Tastatur zugänglich sind. Schließlich spielen auch Multimedia-Inhalte eine große Rolle in der digitalen Barrierefreiheit. Videos sollten mit Untertiteln ausgestattet sein, während für Audioinhalte Transkripte bereitgestellt werden, damit auch hörgeschädigte Nutzer die Informationen erfassen können.
- Texte: Verwendung klarer und einfacher Sprache, strukturierte Überschriften und Absätze.
- Bilder und Grafiken: Bereitstellung von Alternativtexten, die den Inhalt des Bildes beschreiben.
- Gestaltung: Unterstützende Schriftgestaltung und ausreichende Farbkontraste.
- Formulare: Klare Beschriftungen und Anweisungen, um die Eingabe zu erleichtern.
- Navigation: Konsistente und intuitive Menüführung, die sowohl mit der Maus als auch über die Tastatur bedienbar ist.
- Multimedia-Inhalte: Bereitstellung von Untertiteln für Videos und Transkripten für Audiodateien.
Zusammenhang von Barrierefreiheit und Suchmaschinenoptimierung
Der Zusammenhang zwischen Barrierefreiheit und Suchmaschinenoptimierung (SEO) ist eng, da viele Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit auch die Auffindbarkeit und Nutzerfreundlichkeit einer Website für Suchmaschinen verbessern.
Gemeinsame Prinzipien von Barrierefreiheit und SEO
- Klare und strukturierte Inhalte
- Die Nutzung von übersichtlichen Überschriften (H1, H2, H3) und Absätzen erleichtert nicht nur Menschen mit kognitiven Einschränkungen das Verständnis, sondern hilft auch Suchmaschinen, die Inhalte besser zu analysieren.
- Gut strukturierte Texte mit einfachen, klaren Formulierungen verbessern die Lesbarkeit und Verweildauer, was sich positiv auf das Ranking auswirken kann.
- Alternativtexte für Bilder (Alt-Tags)
- Screenreader lesen Alternativtexte vor, damit Menschen mit Seheinschränkung oder Blindheit Bildinhalte verstehen können.
- Gleichzeitig nutzen Suchmaschinen diese Texte, um Bilder zu indexieren – dies trägt zur Bildersuche-Optimierung bei.
- Barrierefreie Navigation und interne Verlinkung
- Eine konsistente, gut strukturierte Navigation verbessert nicht nur die Benutzerfreundlichkeit für alle Nutzergruppen, sondern auch die Crawlability für Suchmaschinen.
- Interne Links mit klaren Ankertexten helfen sowohl Screenreadern als auch Google, die Relevanz und Hierarchie der Seiten zu verstehen.
- Multimedia-Zugänglichkeit (Untertitel & Transkripte)
- Untertitel für Videos und Transkripte für Audiodateien helfen hörgeschädigten Nutzern und verbessern gleichzeitig die Indexierung der Inhalte durch Suchmaschinen.
- Google kann Text leichter verarbeiten als reine Audio- oder Videoinhalte, was die Sichtbarkeit in der Suche erhöht.
- Tastaturfreundlichkeit & Ladezeiten
- Eine Website, die sich mit Tastatur bedienen lässt, verbessert die Zugänglichkeit für Menschen, die Schwierigkeiten haben, eine Maus gezielt zu steuern.
- Gleichzeitig bevorzugen Suchmaschinen benutzerfreundliche, schnelle Seiten, da Ladegeschwindigkeit ein Ranking-Faktor ist.
Die Umsetzung barrierefreier Maßnahmen verbessert damit nicht nur die Nutzbarkeit für Menschen mit Behinderungen, sondern optimiert auch die Website für Suchmaschinen. Eine zugängliche, klare und technisch gut strukturierte Website wird sowohl von Google als auch von Nutzern positiv bewertet. Unternehmen profitieren also doppelt, wenn sie digitale Barrierefreiheit ernst nehmen.
Welche Fristen gelten?
Die BITV legt klare Fristen für die Umsetzung der Barrierefreiheit fest, um eine schrittweise Anpassung digitaler Angebote sicherzustellen. Besonders für öffentliche Stellen galten verbindliche Termine, bis zu denen ihre digitalen Inhalte barrierefrei zugänglich sein mussten.
Für Websites öffentlicher Einrichtungen endete die Frist am 23. September 2020. Ab diesem Zeitpunkt mussten alle Internetauftritte den Anforderungen der BITV entsprechen. Mobile Anwendungen hatten eine etwas längere Umsetzungsfrist und mussten bis zum 23. Juni 2021 barrierefrei gestaltet sein. Noch früher betroffen waren interne Systeme wie Intranets und Extranets öffentlicher Stellen, die bereits bis zum 23. September 2019 an die Barrierefreiheitsstandards angepasst werden mussten. Diese gestaffelten Fristen sollten eine praktikable Umsetzung ermöglichen und sicherstellen, dass digitale Inhalte schrittweise barrierefrei zugänglich gemacht werden.
- Websites: Öffentliche Stellen mussten ihre Websites bis zum 23. September 2020 barrierefrei gestalten.
- Mobile Anwendungen: Für mobile Anwendungen galt eine Frist bis zum 23. Juni 2021.
- Intranets und Extranets: Diese mussten bis zum 23. September 2019 barrierefrei
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ab 2025
Neben den bestehenden Regelungen für öffentliche Stellen weitet das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) die Barrierefreiheitsanforderungen ab dem 28. Juni 2025 auch auf private Unternehmen aus. Dies betrifft insbesondere digitale Angebote wie Online-Shops, Bankdienstleistungen und digitale Kommunikationsplattformen, die dann barrierefrei gestaltet sein müssen. Das Gesetz setzt die europäische Richtlinie (EU) 2019/882 (European Accessibility Act, EAA) um und stellt sicher, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am digitalen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Unternehmen sollten sich frühzeitig auf die neuen Anforderungen vorbereiten, um rechtliche Risiken zu vermeiden und eine inklusive Nutzererfahrung zu gewährleisten.
Fazit
Die barrierefreie Gestaltung von Websites ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch ein wesentlicher Schritt hin zu einer inklusiven digitalen Gesellschaft. Die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere die BITV in Deutschland, setzen klare Standards, die öffentliche Stellen und teilweise auch private Unternehmen einhalten müssen. Dabei stehen die vier Prinzipien der Barrierefreiheit – Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit – im Mittelpunkt der Umsetzung.
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Nutzer, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten, uneingeschränkten Zugang zu Online-Angeboten haben. Dies betrifft insbesondere die Gestaltung von Texten, Bildern, Formularen, Navigationselementen und Multimedia-Inhalten. Die Bereitstellung von Alternativtexten, eine klare Menüführung und die Möglichkeit zur Tastatursteuerung sind essenzielle Maßnahmen, um Barrieren abzubauen.
Die gesetzlich festgelegten Fristen für öffentliche Stellen und Privatunternehmen verdeutlichen die Dringlichkeit des Themas. Während viele Institutionen bereits Maßnahmen umgesetzt haben, besteht weiterhin Verbesserungsbedarf – auch und gerade im privaten Sektor. Barrierefreiheit sollte nicht als zusätzliche Pflicht betrachtet werden, sondern als Chance, mehr Menschen zu erreichen und ihnen gleichberechtigte digitale Teilhabe zu ermöglichen. Letztlich profitieren nicht nur Menschen mit Einschränkungen, sondern alle Nutzer von einer gut strukturierten und leicht zugänglichen Website.
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